„Die Ziele der „Mayors for Peace“ sind es, zur Erreichung eines dauerhaften Weltfriedens beizutragen, indem sie durch enge Solidarität unter den Mitgliedsstädten bei den Bürgern der Welt das Interesse an der vollständigen Abschaffung von Atomwaffen wecken und sich für die Lösung lebenswichtiger Probleme der Menschheit wie Hunger und Armut, die Not der Flüchtlinge, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung einsetzen.“
Aus der Grundsatzerklärung der internationalen Bewegung „Mayors for Peace“.
Am 8. Juli zeigen weltweit die „Mayors for Peace“ Flagge. An diesem Tag im Jahre 1996 erklärte der der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen für völkerrechtswidrig. Mit diesem internationalen Flaggentag wollen die Bürgermeister*innen mit einem sichtbaren Zeichen vor den Kommunen verdeutlichen, dass auch Kommunen Verantwortung für den Frieden tragen und sich für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen einsetzen.
Der weltweiten „Mayors for Peace“-Initiative gehören über 8.000 Städte und Kommunen an, in Luxemburg sind es deren 62.
Vieles ist in den letzten Monaten in den Diskussionen um die Atomwaffen in Bewegung gekommen. Als historisch muss man das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen am 22. Januar dieses Jahres betrachten. Seit diesem Datum sind diese abscheulichen Waffen völkerrechtlich verboten.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI veröffentliche Mitte Juni ihren Jahresbericht zum aktuellen Stand der weltweiten Atomwaffen. Die Friedensforscher sehen eine beängstigte Trendwende in den Beständen dieser Waffen. Zwar ist die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe mit 13.080 leicht rückläufig, aber dieser Rückgang ist einzig der Ausmusterung veralteter Waffen zu verdanken. 9 Staaten, die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea, teilen sich diese Bomben. Über 90% sind im Besitz der USA und Russlands.
Die besorgniserregende Trendwende beobachten die Friedensforscher bei der Zahl der Atomsprengköpfe, die bereits auf Raketen montiert sind oder sich auf aktiven Stützpunkten befinden. Diese gelten laut SIPRI als einsatzbereit. Diese Zahl stieg innerhalb eines Jahres von 3720 auf 3825. Die USA und Russland verantworten diese Steigerung mit jeweils 50 quasi allein. Etwa 2000 dieser Sprengköpfe werden SIPRI zufolge in höchster Einsatzbereitschaft im sogenannten “Hair-Trigger-Alert“ gehalten. Diese Bereitschaft zum sofortigen Abschuss, ist ein Relikt des Kalten Krieges. Die atomaren Strategien der USA und Russlands messen dieser sofortigen Abschussbereitschaft von Atomwaffen noch eine wichtige Bedeutung bei. Bei einer Frühwarnung eines gegnerischen Angriffs, wird laut dieser Strategie der eigene Vergeltungsschlag noch vor dem gegnerischen Einschlag ausgeführt.
Während die Weltgemeinschaft mit dem Atomwaffenverbotsvertrag ungeduldig auf konkrete Abrüstungsschritte wartet, investieren alle Atommächte mit horrenden Investitionsprogrammen in die Modernisierung ihrer Arsenale. ICAN, die internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen, rechnete in ihrem Bericht „Complicit: 2020 Global Nuclear Weapons Spending“ vor, ganze 72,6 Milliarden Dollar, 137.000 Dollar pro Minute, gaben die atomar bewaffneten Staaten im Jahr 2020 für ihre Atomwaffen aus. Tendenz steigend. Dies besorgte ebenfalls die SIPRI-Friedensforscher. Sie erkennen eindeutig, langfristige Investitionen in das Atomwaffenarsenal aller 9 Staaten. Der Trend den Atomwaffen in den militärischen Strategien geringere Bedeutung beizumessen, rückt immer mehr in weite Ferne. Die Forscher befürchten eher eine gegenteilige Entwicklung.
Die Lage neu einschätzen.
Brauchen wir diese Waffen heutzutage noch in den militärischen Strategien? Müssen wir die Bedeutung der Abschreckungsstrategie von Atomwaffen nicht neu einschätzen?
Paul Quilès, ehemaliger französischer Verteidigungsminister und Vorsitzender der „Initiatives pour le Désarmement Nucléaire – IDN“, hat mit Bernard Norlain, einem ehemaligen General der französischen Luftstreitkräfte und aktives Mitglied in der „Global Zero“- Initiative, ein Umdenken gefordert.
Ihre Analyse verdient Beachtung: „Im Militärwesen bahnt sich eine Revolution an. Sie steht im Zusammenhang mit der digitalen Revolution und der exponentiellen Beschleunigung sogenannter disruptiver Technologien, die das Wesen von Konflikten und die Formen des Krieges radikal verändern. Es ist daher unerlässlich, die Relevanz von Atomwaffen und nuklearer Abschreckung in diesem neuen strategischen Umfeld zu hinterfragen. (…) Diese neuen Technologien schaffen ein Konfliktfeld, das sich völlig von dem des Kalten Krieges unterscheidet. Die Formen der Kriegsführung unterliegen einem radikalen Wandel: Cyber-Kriegsführung, Krieg im Weltraum, hybride Kriegsführung, Informationskriegsführung, (…). In dieser veränderten strategischen Landschaft, in der die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden immer mehr verschwimmt, in der der Aggressor immer schwieriger zu identifizieren ist und in der der Krieg immer unmittelbarer wird, hat die nukleare Abschreckung keinen Platz.“
Abrüstungsschritte in die Wege leiten.
Die Forderungen der Friedensbewegung bleiben ohne Wenn und Aber. Für einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag, für ein atomwaffenfreies Europa von der Atlantikküste Portugals bis zum Uralgebirge in Russland, Auflösung aller bestehender Militärbündnisse, für eine zivile Sicherheits- und Außenpolitik. Nur Forderungen allein reichen nicht aus. Es gilt mit konkreten Schritten diese Ziele zu erreichen.
Der ehemalige sowjetische Staatschef und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow betont: „Es werden schwierige nukleare Abrüstungsverhandlungen, die jetzt beginnen müssen und, davon bin ich überzeugt, auch beginnen werden.“ Es ist gewagt eine Zeitschiene für eine atomwaffenfreie Welt zu definieren. Experten innerhalb der Vereinten Nationen setzen einen maximalen Zeitraum bis spätestens 2045, um dieses Ziel zu erreichen. Es wäre ein erstrebenswertes Geburtstagsgeschenk für die Vereinten Nationen, die in dem Jahr ihr 100jähriges Bestehen feiern werden.
Die USA und Russland müssen in diesen abrüstungspolitischen Schritten kurzfristig vorangehen, einige Möglichkeiten:
- Ein „No first use“ von Atomwaffen, also eine Verpflichtung, dass sie keine Atomwaffen als erste gegeneinander einsetzen;
- Die Strategie des „Hair-Trigger-Alert“, also die sofortige Einsatzbereitschaft der atomaren Sprengköpfe, beenden;
- Bei der anstehenden 10. Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NVV) aus dem Jahre 1970, weitere radikale atomare Abrüstungsschritte vorschlagen. Diese sind in dem Vertrag festgeschrieben, aber bisher seitens der Atommächte kaum ernsthaft angewandt worden.
Die NATO, also auch Luxemburg, steht in diesem Prozess nicht außen vor:
- Es gilt diese Abrüstungsschritte zu unterstützen. Besonders bei der Überprüfungskonferenz des NVV, gilt es Farbe zu bekennen;
- Die sogenannte „Nukleare Teilhabe“, also die technische und politische Beteiligung von NATO-Staaten an der Atomkriegsstrategie der USA, ist ein Relikt des kalten Krieges und gehört abgeschafft;
- Da kaum anzunehmen ist, dass irgendein NATO-Mitglied kurzfristig dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen beitreten wird, mal als ersten Schritt einen Beobachterstatus bei der ersten Überprüfungskonferenz dieses Vertrages Anfang 2022 in Wien beantragen. Besonders Luxemburg sollte in diesem Falle eine Vorreiterrolle einnehmen.
Dies wären erste Schritte in eine sicherere von Atomwaffen unabhängigere Zukunft.
Dies sollte auch die Botschaft der „Mayors for Peace“ anlässlich des internationalen Flaggentags sein.
Raymond Becker
Koordinationsteam der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg