Archiv der Kategorie: Für eine Kultur der Gewaltfreiheit

Wir wissen es und müssen handeln!

„Die Welt hat genug um die Bedürfnisse, aber nicht die Habgier aller zu stillen. Das ist das Problem.“

Mahatma Gandhi

Die 80ger Jahre brachten vielerorts einen Wendepunkt in der Wahrnehmung globaler Fragen der Menschheit. Wurde der im Jahre 1972 veröffentlichte Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome zur Lage der Menschheit in den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungszentren noch äußerst kontrovers diskutiert, so brachten drei internationale Berichte an die Vereinten Nationen die entscheidende Wende. 1980 erschien der sogenannte Brandt-Report „Das Überleben sichern“. Unter Leitung von Willy Brandt schlug eine Expertengruppe den Vereinten Nationen neue Wege in der Entwicklungshilfe vor. Eine internationale Kommission für Abrüstung und Sicherheit unter Leitung von Olof Palme veröffentlichte 1982 den Bericht „Common Security“. In diesem Bericht wurde dargelegt, wie internationale Zusammenarbeit, Abrüstung und Entmilitarisierung vorangetrieben werden können. Fragen der Sicherheit wurden nicht auf militärische Mittel reduziert. Unter Vorsitz von Gro Harlem Brundtland veröffentlichte eine Arbeitsgruppe 1987 Überlegungen zum Thema „Unsere gemeinsame Zukunft“. In diesem Brundtland-Bericht wurde erstmals die nachhaltige Entwicklung als Ziel politischer Bemühungen postuliert.

Club of Rome, Brandt, Palme und Brundtland haben zweifelsohne jene Konferenzen der Vereinten Nationen ganz wesentlich beeinflusst, die in den letzten 20 Jahren zu einem verstärkten Interesse an den Zukunftsfragen der Menschheit geführt haben.

Die Agenda für den Frieden (1992), der Erdgipfel (1992), die Bedeutung der sozialen Entwicklung (1995), die Weltfrauenkonferenz (1995), die Klimaproblematik (1995), die Habitat II Tagung betreffend die menschlichen Siedlungen (1996) und besonders die Millenniumsziele für eine zukunftsfähige und nachhaltige Weltentwicklung (2000), sind Beispiele, wie kompetent und ohne Schönfärberei diese aktuellen Themen dargelegt wurden. Gleichzeitig wurden jeweils konkrete Ziele formuliert und Mittel und Wege beschrieben, wie Fortschritte in den einzelnen Bereichen erreicht werden können. Die einzelnen Themendarstellungen zeigen auch, wie eng diese untereinander vernetzt sind. Die klare Aufarbeitung und die Formulierung von notwendigen Zielen sind ein Novum in der Geschichte der Menschheit.

Billionen für die Finanzkrise.

Niemand kann mehr behaupten, er hätte nicht gewusst: Dass 20% der Menschheit 86% der Ressourcen verbraucht und größtenteils verschwendet; dass täglich 100.000 Menschen verhungern, davon alle 3 Sekunden ein Kind; dass jeder 8te Mensch auf der Welt an Hunger leidet; dass jährlich 11 Millionen Kinder vor ihrem 5. Geburtstag, an vermeidbaren und behandelbaren Krankheiten sterben; dass wir jährlich etwa 1.000 Milliarden Euro für Rüstungszwecke ausgeben; dass die Finanz- und Wirtschaftskrise laut „Die Welt“ bislang weltweit 10.000 Milliarden Euro verschlang; dass es uns jedoch nicht gelingt, während 5 Jahren jährlich jeweils 58 Milliarden Euro für die weltweite Beseitigung der schlimmsten Plagen der Menschheit vom Hunger bis zur mangelnden Bildung aufzubringen.

Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mahnt zurecht, wichtige Prioritäten nicht aus den Augen zu verlieren: „While recently we have heard much in this country about how problems on Wall Street are affecting innocent people on Main Street, we need to think more about those people around the world with no streets”.

Die Befürchtungen des UN-Chefdiplomaten sind schon berechtigt, dass die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise das Erreichen der Millenniumsziele bis 2015 in noch größere Bedrängnis bringt. Dabei sind diese Ziele – die Beseitigung der extremen Armut und des Hungers; die Grundschulausbildung für alle Kinder; die Förderung der Gleichheit der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frauen; die Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel; die Senkung der Müttersterblichkeit um drei Viertel; die erfolgreiche Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten; die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung – von größter Bedeutung und verdienen absolute Priorität im Interesse der gesamten Menschheit.

Die Europäische Kommission bringt es durch ihren Kommissar Louis Michel drastischer auf den Punkt. Für den ehemaligen belgischen Außenminister wäre es völlig falsch und zynisch, wenn nun die Krise als Ausrede missbraucht würde, um Entwicklungshilfe zu streichen. Er warnt für diesen Fall vor einer Art Domino-Effekt, der den internationalen Terrorismus befeuern und die Sicherheit in der Welt akut gefährden würde. „Jetzt ist der Moment gekommen, die Welt neu zu ordnen, sonst wird es bald zu spät sein“, so Michel.

Geld allein genügt nicht.

Wir sind die erste Generation, die es schaffen könnte, eine für uns alle bessere Zukunft zu gestalten. Wollen wir das wirklich? Sind wir bereit für die nächsten Generationen Verantwortung zu übernehmen? Sind wir bereit zu teilen? Oder ist das Leben auf Kosten der Anderen nicht doch bequemer?

Jedenfalls fehlen bisher der politische und wohl auch der konkrete Wille, in der Gesellschaft etwas tiefgreifend und nachhaltig zu verändern. Es fehlt der Wille, eine andere ökonomische und soziale Grundlage zu schaffen. Wir bräuchten eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung, eine Weltwirtschaft die sich an solidarischen, ökologischen, demokratischen und friedlichen Kriterien orientiert. Das klassische Argument, es wäre für diese Umgestaltung kein Geld vorhanden ist seit der Finanzkrise obsolet. Allein 2008 wurden innerhalb kürzester Frist 10 Mal mehr Gelder für die Banken aufgebracht als in den letzten 49 Jahren weltweit für die Entwicklungspolitik ausgegeben wurden.

Geld ist in der Entwicklungspolitik von Bedeutung, aber Geld allein genügt nicht. Eine gerechtere und das bedeutet auch friedlichere Welt kann es nur geben, wenn wir bereit sind, über Almosen hinaus, auch unser eigenes Konsumverhalten und unseren Lebensstandard zu ändern und zu überdenken. Anderenfalls könnten die Aussagen von Louis Michel schneller Realität werden als gedacht.

In einem Klima von Gier und Egoismus hat dieser Solidaritätsgedanke aber wenig Aussicht auf Erfolg. Wie könnte denn konkret ein Beitrag zur Förderung dieses Solidargedankens aussehen? Einige Überlegungen in einem weiteren Beitrag.