Vor 79 Jahren Hiroshima und Nagasaki: Diplomatie statt Hass, Kriegstreiberei und Feindschaft.

Es ist in diesen Tagen wahrlich nicht leicht, sich für Diplomatie, Dialog, Abrüstung oder Multilateralismus einzusetzen. In Zeiten von Krieg in Europa, dem unverhohlenen Drohen mit Atomwaffen, einem Pulverfass im Nahen Osten und unzähligen blutigen Kriegen oder Konflikten weltweit, stehen die Zeichen auf Aufrüstung.

Seit dem völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine ist unsere europäische Sicherheitsarchitektur, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, zusammengebrochen.

Am 79. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima (6. August) und Nagasaki (9. August) bleibt es wichtig, den Hibakusha, den von der Bombe betroffenen Menschen in Hiroshima und Nagasaki, beizustehen, um die Erinnerung an das, was vor 79 Jahren geschah, wachzuhalten und die Lehren zu ziehen, die die Menschheit ziehen muss, wenn wir eine friedlichere Zukunft ohne Atombomben sichern wollen.

Die „Doomsday Clock“, oft abgekürzt als „Nuclear War Clock“, ist eine symbolische Uhr der renommierten Zeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“. Sie soll der Öffentlichkeit verdeutlichen, wie groß das aktuelle Risiko einer globalen Katastrophe ist, die durch menschenvernichtende Faktoren wie einen Atomkrieg verursacht wird.

Die Uhr steht derzeit auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Zum Vergleich: 1990, am Ende des so genannten Kalten Krieges, stand die Uhr auf 10 Minuten vor Mitternacht. Im Jahre 1991, durch die Unterzeichnung von Abrüstungsverträgen zwischen den USA und Russland gar auf 17 Minuten vor Mitternacht.

Aufgrund dieser Gefahrenlage bleibt es die Aufgabe aller friedlich gesinnten Menschen sich trotz aller Ungewissheiten für ein zukunftsorientiertes, friedliches Leben einzusetzen. Wir brauchen dringend Hoffnung und Diplomatie statt Hass, Kriegstreiberei und Feindschaft.

Alle Arten von Waffen sind verabscheuungswürdig, weil sie zum Töten eingesetzt werden. Bei Atomwaffen ist die tödliche Wirkung noch viel größer. Sie können die gesamte Menschheit auslöschen. Deshalb bleibt es wichtig, sich weltweit für die Abschaffung von Atombomben einzusetzen.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres hatte Recht, als er kürzlich auf einer Konferenz formulierte: „Die Menschheit steht auf Messers Schneide. Das Risiko, eine Atomwaffe einzusetzen, hat ein Ausmaß erreicht, wie es seit dem Kalten Krieg nicht mehr vorkam. Die Staaten befinden sich in einem qualitativen Wettrüsten. Die nukleare Erpressung ist wieder aufgetaucht, und einige drohen rücksichtslos mit einer nuklearen Katastrophe. Gleichzeitig wird das System, das den Einsatz, die Erprobung und die Verbreitung von Kernwaffen verhindern soll, immer schwächer. Abrüstung ist jetzt ein Gebot der Stunde. Alle Länder müssen handeln, aber die Kernwaffenstaaten müssen die Führung übernehmen.
Der Präsident der internationalen Vereinigung „Mayors for Peace“ Kazumi Matsui, Bürgermeister von Hiroshima, brachte seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass sich unter den gegenwärtigen internationalen Umständen die Wahrnehmung von Atomwaffen drastisch verschoben hat, von Waffen, die niemals eingesetzt werden dürfen, zu Waffen, die unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden können. Eine unmenschliche, fatale Entwicklung.

Atomwaffen stellen eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit dar. In jedem Konflikt würde der Einsatz auch nur eines Bruchteils der derzeitigen Atomwaffenarsenale langfristige Schäden für die Umwelt, die sozioökonomische und nachhaltige Entwicklung, die Weltwirtschaft, die Ernährungssicherheit und die Gesundheit heutiger und künftiger Generationen nach sich ziehen.

Wir müssen handeln, jetzt!

Aber was kann überhaupt konkret getan werden?
Ziel sollte sein, für das 100jährige Bestehen der Vereinten Nationen im Jahre 2045, eine atomwaffenfreie Welt erreicht zu haben.

Weltweit gibt es 12.512 Atombomben insgesamt, davon sind 3.844 Bomben direkt einsatzbereit. Diese direkt einsatzbereiten Bomben steigen rasant an. Ein mehr als besorgniserregender Trend.
Unvorstellbare 91,4 Milliarden Dollar wurden 2023 für die mörderischen Waffen ausgegeben, dies sind über 173.000 Dollar pro Minute.

Es gibt gut durchdachte Abrüstungsvorschläge, darunter die vollständige Abschaffung aller Atomwaffen. Am 22. Januar 2021 ist der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW), das wichtigste Instrument des humanitären Völkerrechts, in Kraft getreten. Dieser Vertrag steht in keiner Weise im Gegensatz zu anderen nuklearen Abrüstungsbemühungen.
Rund zwei Drittel aller Staaten weltweit unterstützen diese Initiative der Vereinten Nationen. Die Nuklearstaaten und ihre Partner wehren sich derzeit noch vehement gegen einen Beitritt.
Ein erster Schritt zum Dialog im Rahmen dieses Vertrages könnte jedoch eine Beobachterrolle der Nuklearstaaten und ihrer Partner bei den jährlichen Folgekonferenzen dieses Verbotsvertrages sein. Luxemburg sollte, wie andere Länder auch, als Beobachter an diesem Prozess teilnehmen.

Die Friedensbewegung muss sich aber auch bewusst sein, dass ein alleiniges, zwar richtiges Fordern zur Umsetzung dieses Verbotsvertrages, in der aktuellen politischen Realität nicht schnell erreichbar ist. In einer ersten Phase müssten konkrete Schritte hin zur atomaren Abrüstung getätigt werden, dies mit der Zielsetzung einer atomwaffenfreien Welt.

Hierfür gibt es einen weiteren Weg, vorausgesetzt der politische Wille ist vorhanden.
In genau zwei Jahren findet eine weitere Nachfolgekonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) statt. In diesem Vertrag von 1970 haben sich die Atomwaffenstaaten zur nuklearen Abrüstung verpflichtet. Bisher ist dieses Versprechen nicht eingelöst worden. Es wurde versäumt, sich in Richtung konsequente Abrüstung zu bewegen und somit ihre in diesem Vertrag genannte Hauptverpflichtung zu erfüllen. Die Atomwaffenstaaten treiben die Modernisierung, die Aufrüstung und die Erweiterung ihrer tödlichen Atomwaffenarsenale fort, als ob sie beabsichtigten, diese Waffen unbegrenzt zu behalten.

Wenn es der Weltgemeinschaft mit der Abkehr von diesen verabscheuungswürdigen Waffen ernst ist, müssen im Rahmen dieser NPT-Nachfolgekonferenz in zwei Jahren klare Signale gesetzt werden:

  • Jeder atomar bewaffnete Staat sollte eine unmissverständliche „No First Use“-Erklärung abgeben.
  • Oberste Priorität muss es sein, so viele Waffen wie möglich aus der höchsten Alarmbereitschaft zu nehmen.
  • Mehr als ein Viertel des weltweiten Atomwaffenarsenals ist derzeit direkt einsatzbereit. Dieser Anteil muss drastisch und dringend reduziert werden.
  • Putin setzte im Februar 2023 den New-START-Vertrag (Strategic Arms Reduction Treaty), den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA außer Kraft. Auch Gespräche über ein Nachfolgeabkommen für den eigentlich 2026 auslaufenden Vertrag wurden auf Eis gelegt. Dieser Vertrag über strategische Waffen, welche eine Reichweite von über 5.500 km haben, muss verlängert werden. In diese Verlängerungsgespräche wären auch andere Atomwaffen wie beispielsweise die Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa miteinzubeziehen.
    Scheitert die Verlängerung dieses Vertrages, droht ein neues, noch nie dagewesenes atomares Wettrüsten.

Abrüstung ist keine Utopie. Die beiden genannten Abrüstungsverträge sind sehr zielorientiert. Sie nur in Sonntagsreden zu zitieren, bringt niemanden weiter. Die Politik muss konkrete Maßnahmen ergreifen.

Wir brauchen dringend Diplomatie in einer Zeit, in der die Welt in verheerende bewaffnete Konflikte, eine Aushöhlung des Multilateralismus und der Rechtsstaatlichkeit, ein erneutes nukleares Wettrüsten, erhöhte Risiken und konkrete Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen verwickelt ist.

„Wir leben derzeit in einer der gefährlichsten Zeiten in der Geschichte der Menschheit“, erklärte der Vorsitzende des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI Dan Smith. „Es ist an der Zeit für die Großmächte, einen Schritt zurückzutreten und nachzudenken. Am besten gemeinsam.“

Raymond Becker
Koordinationsteam Friddens- a Solidaritéitsplattform