Vivi Hommel Präis 2023
3.10 – Laudatio – Raymond Becker, Präsident des Cercle Vivi Hommel
Ich glaube es wird nicht einfach ein besseres Zitat als Nachfolgendes zu finden, das meiner Ansicht nach eine der Grundüberzeugungen von Vivi Hommel widerspiegelt.
„Il faut créer des gens sobres et patients, qui ne désespèrent pas face aux pires horreurs et ne s’enthousiasment pas pour n’importe quelle bêtise. Je suis pessimisme avec l’intelligence, mais optimisme par la volonté“.
Une citation d’Antonio Gramsci, philosophe, journaliste et homme politique italien, dans ses „Cahiers de prison“. Les Cahiers de prison ont été rédigés entre 1929 et 1935, lorsque Gramsci était emprisonné en tant que prisonnier politique des fascistes italiens.
L’optimisme de la volonté était l’une des plus grandes forces de Vivi Hommel dans son engagement pour plus de solidarité, pour plus d’empathie, dans sa recherche de solutions non-violentes dans une société et un monde. Un monde qui en est vraiment loin.
Ein Optimismus des Willens zeichnet auch die Preiträger*innen dieses symbolischen Vivi Hommel Preises aus. Nach Jean Feyder, Martine Greischer, Fairtrade Lëtzebuerg, der Gemeinde Roeser, Blanche Weber, Patrick Godar, die Commission luxembourgeoise Justice et Paix und dieses Jahr Laura Zucolli.
Genau dies will der Cercle Vivi Hommel. Menschen würdigen, die ihren Mosaikstein in ein Bild einfügen, ein Bild, das eine Vision eines besseren Zusammenlebens vermittelt.
Ein Leben, ohne sich zu engagieren, ist für Laura Zuccoli eigentlich unvorstellbar. Ihre Themen sind Migration, Exil, Fremdsein, für Bürger*Innenbeteiligung, für ein tolerantes Zusammenleben, gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, für Gleichberechtigung, kurz ausgedrückt für eine empathische Gesellschaft.
Eine Gesellschaft, wo der Megatrend „Individualisierung“ der vergangenen Jahre sich in eine Kultur des „Miteinander“ wandeln muss. Vielleicht auch dies ein Motto ihrer 12-jährigen Präsidentschaft der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI).
Revenons à la citation de Gramsci. Le philosophe combine une analyse „pessimiste“ des tendances autoritaires croissantes des années 1930 avec un engagement „optimiste“ en faveur du potentiel de transformation socialiste et de l’élaboration d’une stratégie efficace pour le mouvement ouvrier.
Bien que cette citation ait été écrite dans un contexte politique bien précis, l’essence du contenu, légèrement modifiée, reste toujours valable.
Lors de ces remises de prix, le Cercle Vivi Hommel essaie toujours de formuler des pistes de réflexion proches des convictions de notre chère Vivi et qui sont dignes de l’engagement de nos lauréats.
Es ist allen bekannt: Hierzulande ist die Kluft zwischen Arm und Reich gestiegen.
Die Alarmglocken müssten schrillen aufgrund des Sozialpanoramas 2022 der „Chambre des salariés“ (CSL). Als besorgniserregend wird die sozioökonomische Lage Luxemburgs bezeichnet und dabei auf die wachsenden Ungleichheiten aufmerksam gemacht „Alle Indikatoren deuten auf eine Verschlechterung der Lage hin“, stellte die Arbeitnehmerkammer fest.
Nicht besser sieht es aus, was das Armutsrisiko angeht, das in den vergangenen Jahren das bisher höchste Niveau hierzulande erzielte: 2021 waren 115.980 Menschen armutsgefährdet, also 19,2 Prozent der Einwohner. Fazit des Statistikamtes (Statec): „Der soziale Zusammenhalt steht unter Druck.“ Vor allem Haushalte mit drei oder mehr Kindern sowie Alleinerziehende sind vom Armutsrisiko betroffen, dies gilt ebenfalls für Zuwanderer aus nicht EU-Ländern. Von der horrenden Lage auf dem Wohnungsmarkt oder vom „Working Poor“ mal nicht zu reden. Eine Schande für ein reiches Land wie Luxemburg.
Eine Schande auch für Europa. Die Oxfam-Studie “Public Good or Private Wealth” zur sozialen Ungleichheit zeigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Dies ist eine unterschätzte Gefahr für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Oui les 14 associations de la société civile au Luxembourg ont raison avec leurs références pour les électeurs et électrices pour leur vote du 8 octobre : Pour une société juste et équitable, pour la sauvegarde de nos sources de vie, pour une gouvernance orientée vers le futur.
Avec un engagement conséquent, conscient de la force d’une élection démocratique, les électeurs peuvent changer bien des choses en votant en toute connaissance pour une volonté politique claire. Disons le haut et fort ces références pourraient contribuer à un Luxembourg meilleur, plus solidaire, plus juste.
Ja, Antonio Guterres hat vor der Versammlung der Vereinten Nationen Recht: „Die Menschheit hat die Tore zur Hölle geöffnet. Die entsetzliche Hitze hat entsetzliche Auswirkungen. Hilflose Landwirte sehen, wie ihre Ernten von den Überschwemmungen weggespült werden. Die schwülen Temperaturen begünstigen den Ausbruch von Krankheiten. Tausende Menschen fliehen in Angst vor historischen Bränden. Die Maßnahmen zum Klimaschutz werden der Größe der Herausforderung nicht gerecht. Wenn sich nichts ändert, steuern wir auf einen Temperaturanstieg von 2,8 Grad zu – auf eine gefährliche und instabile Welt“. Wenn jemand heute geboren wird, lebt dieser Mensch in 60 Jahren in dieser gefährlichen und instabilen Welt.
Wir wissen es, aber große Teile der Gesellschaft verdrängen es: Dieses Jahrzehnt wird in der Klimapolitik entscheidend sein. Noch klarer, bei den nächsten Gemeindewahlen und den nächsten Landeswahlen nach dem 8. Oktober, wissen wir auf was wir zusteuern. Welch eine Verantwortung für Politiker*Innen, welch eine Verantwortung für die Zivilgesellschaft sich vehement für das Pariser-Klimaabkommen einzusetzen.
Und wir können noch etwas tun. Wir können die aktuelle Situation nicht mehr zurückdrehen, das 1,5Grad-Ziel des Pariser Abkommens wird nicht mehr zu erreichen sein. Aber wir können wesentlich katastrophaleres noch verhindern. Vor wenigen Stunden veröffentlichte die Internationale Energieagentur eine Studie, die besagt, dass durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien der Rahmen des Pariser Klimagipfels noch erreicht werden kann, ein gutes Stück unter der 2Grad-Grenze. Und hier macht jedes Zehntel Grad weniger, einen Unterschied in den Klimaauswirkungen. Zugleich mahnt die Internationale Energieagentur, dass wir aus den fossilen Energien aussteigen müssen.
Zwar spricht alle Welt vom Ausstieg aus den fossilen Energien, nun zeigt aber ein neuer Bericht, dass die Staaten im letzten Jahr so viel Geld ausgegeben haben wie noch nie, um fossile Energie wie Gas, Benzin und Kohle zu subventionieren. Es sind laut dem Bericht des Internationalen Währungsfonds IWF 7 Milliarden Dollar, dies sind sieben Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Noch horrender in Zeiten der Klimakatastrophe, alle börsennotierten Öl- und Gasunternehmen haben für das Jahr 2022 zusammengezählt Gesamtgewinne von über 400 Milliarden Dollar getätigt.
Wir in Luxemburg sind auch nicht gerade ein perfektes Beispiel mit den Investitionen unseres „Fonds de compensation“. Im Jahr 2022 investierte das FDC rund 888 Millionen Euro in die weltweit klimaschädlichsten Unternehmen, dies in den Sektoren Kohle, Öl und Gas.
Eigentlich wollte ich nichts zum aktuellen Landes-Wahlkampf der Parteien sagen. Aber nochmal die Wrote des UN-Generalsekretärs: „ Humanity has opened the gates of hell “. Aber trotz meiner Vorsätze folgendes: Dass vor wenigen Tagen die Spitzenkandidaten der aktuell zwei größten Parteien in einem Rundtischgespräch nicht ein einziges Mal die Wörter Klima und Umwelt aussprachen ist schon bemerkenswert. Das muss man als vermeintlich staatstragender Politiker in unserer heutigen Zeit hinkriegen.
Das Migrationsthema ist in Europa in aller Munde. Die Populisten sind wieder los. Allenthalben werden niederste Instinkte aus der Schublabe gekramt, um grobschlächtige Propaganda zu entfachen. Die Populisten brüllen „Invasion“, hirnrissige Argumente werden herausposaunt, die mit den Fakten recht wenig zu tun haben. Ja die Migrationsdebatte in der Europäischen Union ist nicht einfach. Ja viele Kommunen sind an ihre Grenzen der Aufnahmefähigkeit gelangt. Auch Luxemburg ist in dieser Situation. Der Krieg in der Ukraine hat diesen Druck auf die Aufnahmefähigkeit von geflüchteten Menschen verstärkt. Damit niemand hier etwas Falsches hineininterpretiert, die Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine es ist absolut begrüßenswert. Aber mehr Abschottung, Kasernierung an den Außengrenzen und Flüchtlingsdeals wie beispielweise mit Tunesien, die Geflüchtete in der Wüste verdursten lassen, wer glaubt eigentlich mit diesen Mitteln das Problem einer Lösung zuführen zu können. Das Massensterben im Mittelmeer, die Vergewaltigungen und Folter, die Versklavung von Migranten in Libyen und anderswo wird nicht aufhören solange es Krieg und Verfolgung in Syrien, im Sudan, in Afghanistan oder in Äthiopien gibt. Wir brauchen in der EU keine meterhohen Grenzzäune, sondern legale und humane Einreisewege für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten. Dies löst die Probleme nicht alle, aber es wäre mal ein vernünftiger Anfang.
Dans « Le Monde diplomatique » d’octobre, l’éditorial par Benoît Bréville « Cynisme à Lampedusa » touche un autre point essentiel et à mon avis très important dans ce discours enflammé.
« Si les personnes ne sont pas éligibles à l’asile, ce qui est le cas des nationalités que nous constatons en ce moment, des Ivoiriens, des Gambiens, des Sénégalais, des Tunisiens, (…) il faut évidemment les renvoyer dans leur pays », c’est le langage de la politique.
Bréville prend pour exemple la situation au Sénégal. La situation est similaire dans maints pays en Afrique.
« Les raisons qui peuvent pousser un Sénégalais à quitter son pays sont généralement formulées par les médias en des termes si vagues qu’ils en perdent tout sens : « fuir la misère », « trouver un avenir meilleur ». Au Sénégal, ces mots renvoient à une réalité tangible. Celle des accords de pêche qui autorisent les Européens et les Chinois à ratisser les océans avec leurs chalutiers capables de rapporter en un voyage ce qu’une embarcation locale recueille en un an. Celle de l’accaparement des terres, avec son cortège d’investisseurs étrangers qui expulsent des paysans pour mieux favoriser les produits de rente au détriment des cultures de subsistance, l’arachide plutôt que le sorgho et le millet. Celle du réchauffement climatique, qui affecte les récoltes, avec des saisons humides plus courtes, des inondations et des sécheresses plus fréquentes, un désert qui progresse, une mer qui monte, érode les côtes, salinise les sols. Celle de la répression politique, orchestrée par un président, M. Macky Sall, ami du Quai d’Orsay. » Personnellement j’ajoute, aussi ami de la Communauté Européenne.
Il nous faut un monde dans lequel la protection du climat, la justice sociale et un ordre économique mondial solidaire sont traités comme des priorités urgentes. A défaut d’une politique qui poursuit ces objectifs, il sera pratiquement impossible de mettre en place une politique migratoire respectueuse de la dignité humaine.
Kaum eine Veranstaltung heutzutage in welcher der Ukraine-Krieg nicht thematisiert wird. Wir stehen bei Vivi Hommel in der Pflicht uns mit diesem brutalen Krieg zu beschäftigen. Für uns darf die Stimme des Friedens nicht verschwinden. Wir stehen als Vereinigung zu den Überlegungen der Friddens- und Solidaritéitsplattform, einer Plattform, welche auch seitens unseres Cercles mitgegründet wurde. Wir stehen weiterhin bei allen kriegerischen Konflikten zur Maxime, dass Diplomatie absoluten Vorrang zu Krieg haben muss. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Atombomben weltweit zu ächten sind. Wir sind der Meinung, dass Schluss sein muss mit den irrsinnigen Unsummen für militärische Aufrüstung.
Die Dringlichkeit ist groß, dass Diplomatie Vorrang zu Krieg haben muss. Das furchtbare Gemetzel in der Ukraine muss aufhören. Ich empfehle die Lektüre von Remarque’s „Im Westen nichts Neues“ damit man sich das Gemetzel in den Schützengräben vorstellen kann.
Wenn wir die großen Aufgaben betrachten, die uns als Menschheit und Staatengemeinschaft gestellt sind, ist ein Krieg das letzte, was wir brauchen.
Ein Gedankengang des französischen Philosophen Edgar Morin sollte in diesem unsinnigen Ukraine-Krieg betrachtet werden. „Die Dringlichkeit eines Friedens ist groß: Dieser Krieg verursacht eine gewaltige Krise, die alle anderen gewaltigen Krisen des Jahrhunderts, unter denen die Menschheit leidet, verschlimmert und verschlimmern wird. Die ökologische Krise, die Wirtschaftskrise, die Krise der Zivilisationen und die Krise des Denkens. Krisen, die ihrerseits wieder die Übel und die Krise dieses Krieges verschärfen und weiter verschärfen werden. (…) Je mehr der Krieg sich verschärft, desto schwieriger wird der Frieden, aber desto dringender ist er nötig. Vermeiden wir einen Weltkrieg. Er wäre schlimmer als der letzte.“
Warum die Themen soziale Ungleichheit, Klimakrise, Migration und Krieg anlässlich dieser Preisverleihung? Es fließt alles zusammen.
Europas politischer Zusammenhalt, der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird durch starke nationalistische populistische Bewegungen herausgefordert. Wir werden keines unserer dringenden Probleme lösen, wenn wir keine soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft schaffen, wir liefern stattdessen den nationalistisch populistischen Bewegungen Nährboden. Wir gefährden so unsere Demokratie.
Populismus und Hass gegen alles andere was irgendwie anders und fremd ist, wir sind auch hierzulande nicht dagegen gefeit. Besonders Asyl- und Integrationspolitik sind auch hierzulande Kernthemen der Populisten.
Unsere Laureatin kann hierzu erschütternde Beispiele geben.
Aber wir brauchen dringend Menschen wie Laura Zucolli. Menschen, die gegen den Strom schwimmen; Menschen mit Ecken und Kanten; Menschen mit Rückgrat; Menschen, die der Gesellschaft den Spiegel vorhalten; Menschen, für welche die Worte Empathie und Solidarität keine leeren Floskeln bedeuten. Diese Menschen stärken unsere Gesellschaft, diese Menschen stärken unsere Demokratie.
In diesem Sinne ist es dem Cercle Vivi Hommel eine Freude, aber auch eine Ehre Laura Zucolli den symbolischen Vivi-Hommel-Präis zu überreichen.