Stellungnahme Friddens- a Solidaritéitsplattform

Place Clairefontaine Stad Lëtzebuerg

„Kee Krich an Europa“

25.2.22

Ich stehe hier vor euch, schockiert, wütend, emotional geladen aufgrund dessen was in den vergangenen Stunden passiert ist.

Krieg in Europa.

Seit über 40 Jahren, also seit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss bis zum heutigen Tag, bin ich mich der Friedensbewegung verbunden.

So manchen Rückschlag habe ich in friedenspolitischen Fragen während dieser Zeit erlebt, als Beispiele Kosovo, Irak, Syrien, Georgien, Krim, aber was jetzt passiert ist, habe ich mir nicht vorstellen können. Ich habe immer an eine europäische gemeinsame Sicherheitspolitik geglaubt. Ich habe immer daran geglaubt, dass besonders in Europa, dem Schlachtfeld zweier Weltkriege, trotz aller friedenspolitischer Rückschläge, am Ende die Diplomatie, der gemeinsame politische Wille, Schlimmeres verhindern könnte.

Ich habe mich geirrt, ich bin zutiefst enttäuscht. Nach langen Jahren eines zwar nicht perfekten Friedens gibt es wieder Krieg in Europa.

So manchen Artikel und so manche Rede habe ich versucht in diesen 40 Jahren zu formulieren. Es fiel mir aber noch nie so schwer wie am heutigen Tag die richtigen Worte für dieses Statement zu finden. Ich bin mir bewusst, dass meine Aussagen nicht jeden erreichen werden, ich glaube das ist auch hier und heute ein Ding der Unmöglichkeit.

Ich habe gelernt, dass wie im ganzen Leben man auch nicht in friedenspolitischen Diskussionen alles mit schwarz-weiß Denken erklären kann. Wichtig sind die Zwischentöne, ohne diese verfällt man schnell in Engstirnigkeit und ist zu Lösungen nicht fähig. Dies gilt auch für diesen Konflikt.

Ich habe gelernt, dass das erste Opfer eines Krieges immer die Wahrheit ist. Krieg ist ohne Propaganda nicht möglich. Krieg und Wahrheit sind inkompatibel.

Während der laufenden Tagung des UN-Sicherheitsrates ordnete der russische Präsident den Krieg in der Ukraine an. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres rang noch während der Sitzung nach Worten:

„Tonight, I have only one thing to say, from the bottom of my heart: President Putin, stop your troops from attacking Ukraine. Give peace a chance. Too many people have already died.“

Alles wurde mit diesen Worten zum Ausdruck gebracht.

Putin hat mit dem wahnsinnigen Krieg seine totale Missachtung der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht. Er hat seiner Verachtung gegen alle Institutionen, die OSZE sei hier erwähnt, die sich beharrlich für Frieden und Sicherheit in Europa einsetzen, freien Lauf gelassen. Er hat Millionen Menschen, die sich mit Herz und Verstand für Völkerverständigung engagieren verspottet. Putin hat auch der internationalen Zivilgesellschaft sinngemäß den Krieg erklärt.

Wir erleben seit Wochen Eskalationen: Eiszeit, Machtdemonstration, Konfrontation, aggressive Rhetorik und gegenseitiges Misstrauen.

Das Resultat dieser Eskalationen brach mit brachialer Gewalt aus: Wir befinden uns in Europa, keine 2.000 Kilometer Luftlinie von Luxemburg entfernt, in einem völkerrechtswidrigen Krieg. Eine furchtbare Situation für die Ukraine, eine dunkle Zeit für den Kontinent Europa.

Krieg bedeutet Elend, Leid, Tod. Krieg löst in unserer heutigen vielfältig vernetzten Welt kein einziges Problem.

Gerade jetzt muss an ein Zitat von Bertha von Suttner erinnert werden: „Wer die Opfer nicht schreien hören, nicht zucken sehen kann, dem es aber, sobald er außer Seh- und Hörweite ist, gleichgültig ist, dass es schreit und zuckt – der hat wohl Nerven, aber – Herz hat er nicht.“

Nerven hat er, der Putin, beim Herz habe ich aufgrund seiner brutalen Schritte der letzten Stunden so meine Zweifel.

Eher durch Zufall habe ich in den letzten Monaten Kontakt zu einem ukrainischen Jugendlichen deren Eltern und Großeltern in der Stadt Kramatorsk im Osten der Ukraine leben. Die Jugendliche ist zutiefst erschüttert und verängstigt, ihre Familie wurde aufgefordert im Keller zu leben, die Versorgung mit dem Allernotwendigsten ist nicht mehr gewährleistet.

Der Krieg trifft weder Putin noch seine Oligarchen, der Krieg trifft immer unschuldige Menschen.

Unsere Solidarität gehört dem ukrainischen Volk und all den Menschen, die unter diesem Krieg leiden.

Die Friedensbewegung ist nun gefordert.

Diese Eskalation ist aufs Schärfste zu verurteilen, diese Schläge gegen das Völkerrecht, diese Brutalität gegen das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine müssen aufhören, Deeskalation muss trotz allem das Gebot der Stunde bleiben. Nichts rechtfertigt diesen Krieg.

Stoppt die Kriegshandlungen, Diplomatie statt Bomben, zurück an den Verhandlungstisch.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Krieg wieder zu einem Mittel der Politik in Europa wird. Dies gilt nicht nur für Europa. Imperialistische Muskelspiele, also der Versuch eines Staates mit allen Mitteln politischen und wirtschaftlichen Einfluss in anderen Ländern und Völker zu erringen, müssen wir als Friedensbewegung anprangern, ob diese von Russland, China oder den USA ausgehen. Imperialismus gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Wir müssen verstärkt vermitteln, dass wir uns nicht mehr im „Kalten Krieg“ befinden: Alle imperialistischen Blöcke sind Kriegstreiber, weil alle einer kapitalistischen Logik folgen und der Kapitalismus, wie Jean Jaurès formulierte, „porte en lui la guerre, comme la nuée, l’orage“.

Die internationale Kampagne für die Abschaffung aller Atomwaffen zeigt sich äußerst besorgt: Zwar sind alle Kriege inakzeptabel, aber ICAN warnt davor, dass das jüngste Verhalten Russlands den Konflikt zu einem Konflikt mit Atomwaffen eskalieren lassen könnte. Letzte Woche führte Putin eine strategische Atomwaffenübung durch und übte den Abwurf von Massenvernichtungswaffen auf Zivilisten mit Interkontinentalraketen, U-Boot-Raketen und Bombern. Noch beunruhigender ist, dass Putin vor wenigen Stunden erklärte, dass: „Ganz gleich, wer sich uns in den Weg stellt, Russland wird sofort reagieren, und das wird Konsequenzen haben, wie Sie sie in Ihrer ganzen Geschichte noch nie gesehen haben“. Eine offene Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Was muss sich bei solchen Aussagen in den Gedanken Putins abspielen, einem Autokraten der einen neuen Krieg in Europa begonnen hat. Der die Macht und die Verfügung in seinem Putin-Russland über 6.000 Atomsprengköpfe besitzt, was spielt sich bei einer solchen Drohung in seinen Gedanken ab?

Es kann nur Angst sein, Angst, dass sein Oligarchen-Kartenhaus, sein Putin-System weggefegt wird, wenn ein Pflänzchen namens Demokratie in dieses korrupte System eindringt. Autokraten und Despoten verlieren immer, auch wenn es leider manchmal zu lange dauert, aber sie verlieren immer.

Wenn diese Aggression triumphiert, wird die ganze Welt von einer neuen Ära des Krieges überrollt werden. So oder so, wir werden in den kommenden Jahren massive Steigerungsraten bei den weltweiten Rüstungsausgaben erleben. Geldmittel die wir dringend benötigen um eine andere Katastrophe, die verheerenden Folgen des Klimawandels von der Menschheit abzuwenden.

Ich habe immer an eine neue europäische Sicherheitsarchitektur geglaubt, ich glaube immer noch daran, dass es Sicherheit nicht gegeneinander, sondern nur miteinander geben kann. Ich glaube immer noch daran, dass miteinander reden, einander zuhören, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, besser ist als aufeinander zu schießen.

All dies ist in weite Ferne gerückt.

Aber es gilt jetzt stärker denn je für diese friedenspolitischen Werte einzutreten. Wir dürfen uns diese Überzeugungen nicht zerbomben lassen.

„Nicht der Krieg ist revolutionär, der Friede ist revolutionär“ formuliert Jean Jaurès.

Dies muss die Maxime der Friedensbewegung bleiben.

Wir glauben an den Frieden, intensiver denn je. Wir werden uns hierfür konsequent einsetzen.