Nein, es war nicht Paulchen Panter in dem Kinderlied zur bekannten Comic-Serie. Gedreht wurde an der Uhr vor wenigen Stunden am 23. Januar. Es gibt dieses Uhrwerk seit 1947, 24 Mal haben es die Atomwissenschaftler in der Zeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“ symbolisch eingestellt. Die international breit gestreuten Wissenschaftler wollen verdeutlichen, wie groß das Risiko einer globalen Atom- und/oder Umweltkatastrophe ist. In drei Themenschwerpunkten analysieren die Autoren in ihrem Bericht die jährliche Situation: Atomwaffen, Klima und desruptive Technologien (Cybersabotage, synthetische Biologie, Nutzung und Manipulation von Informationen oder künstliche Intelligenz).
Neben den Atomwissenschaftlern beteiligten sich dieses Jahr erstmals Mitglieder der „The Elders“ einer internationalen Organisation die 2007 von Nelson Mandela gegründet wurde. Die früheren Mandatsträger dieser „The Elders“ setzen sich weiterhin öffentlich für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte ein.
Die „Doomsday-Clock 2020“, wurde auf 100 Sekunden vor Mitternacht eingestellt. 2019 waren es 2 Minuten, 1991 waren es ganze 17 Minuten. Dies war die Zeit des Endes des sogenannten Kalten Krieges, atomare Rüstungskontrollverhandlungen wurden zügig geführt. Es gab ebenfalls damals schon konkrete wissenschaftliche Hinweise auf eine Klimaerwärmung, aber erst 1997 kam der erste Klimaschutzvertrag, das Kyoto-Protokoll.
Ein aufrüttelnder Appel, aber auch …
Die Wissenschaftler argumentierten ihre diesjährige Entscheidung in harten Anschuldigungen gegenüber den politischen Verantwortlichen.
Bei den Atomwaffen haben Staats- und Regierungschefs wichtige Rüstungskontrollverträge und -verhandlungen beendet oder untergraben. Dies führte dazu, dass ein Umfeld geschaffen wurde, das zu einem erneuten nuklearen Wettrüsten, zur Verbreitung von Nuklearwaffen und zum Abbau von Barrieren für den Atomkrieg beiträgt. Die Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland im Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung ist so gut wie nicht mehr vorhanden.
Obwohl das öffentliche Bewusstsein für die Klimakrise vor allem aufgrund von Massenprotesten junger Menschen auf der ganzen Welt wuchs, bleiben die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels noch weit davon entfernt, die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Bei den UN-Klimatreffen brachten die Nationen nur wenige konkrete Pläne zur weiteren Begrenzung der CO2-Emissionen vor. Dies erfolgte in einem Jahr, in dem sich die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels, in einem der wärmsten bisherigen Jahre, ausgedehnten Waldbränden, globale Erwärmung der Weltmeere, einem massiven Artensterben oder einem schneller als erwarteten Abschmelzen des Gletschereises verdeutlichen.
Von wissenschaftlich untermauerten Argumenten und Informationen hängen demokratische Diskurse und öffentliche Entscheidungen wesentlich ab. „Fake News“ haben die Diskussionen um Lösungsvorschläge mehr als getrübt. Sie haben gar die nuklearen und klimatischen Bedrohungen verschärft. Im letzten Jahr setzten viele Regierungen Cyber-Desinformationskampagnen ein, um Misstrauen in Institutionen und unter Nationen zu säen und die nationalen und internationalen Bemühungen zur Förderung des Friedens und zum Schutz des Planeten zu untergraben.
Die Wissenschaftler der „Doomsday Clock“ sind der Überzeugung, dass die Klimakrise einen Atomkrieg begünstigt. Verschiedene Faktoren tragen hierzu bei: Durch instabile politische Führungen in den Nuklearstaaten; das grösser werdende Risiko einer ungewollten nuklearen Detonation durch Cyberterrorismus; durch die Abhängigkeit von automatisierten Systemen im Bereich der Nuklearwaffen und nicht zuletzt durch den Klimawandel.
Carlos Umaña ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) Koordinator für Lateinamerika bringt es auf den Punkt: „Der Klimawandel vervielfacht die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen aufgrund von Ressourcen, Trinkwasser und Lebensmitteln und erhöht den Druck der Migration. Der politische Kollaps hingegen führt dazu, dass extremistische Führer die Kontrolle über nukleare Waffen erlangen. Somit ist das Risiko eines Atomkrieges in Regionen mit politischer Spannung höher.“
… ein engagierter Appel der Verantwortlichen der „Doomsday-Clock 2020“
Die Wissenschaftler plädieren vehement für internationale Verhandlungen zwischen den USA und Russland um den INF-Vertrag (Vertrag über Mittelstreckenraketen) wieder aufzunehmen, es gilt hier ein unnötiges Wettrüsten zu verhindern; den New START-Vertrag (Vertrag über Interkontinentalraketen) über 2021 hinaus zu verlängern; konsequent weitere Reduzierungen der weltweit bestehen 15.000 Atomwaffen umzusetzen; allgemein nukleare Modernisierungsprogramme zu begrenzen, die ein neues nukleares Wettrüsten schaffen; dringend Notwendig sind ebenfalls Deeskalations-Gespräche über Cyber-Kriegsführung, Raketenabwehr, die Militarisierung des Weltraums, Hyperschall-Technologie und die Beseitigung aller Kernwaffen weltweit.
Für die Autoren des Berichtes gilt es sich als Staatengemeinschaft öffentlich dem Ziel des Pariser Klimaabkommens das die Erwärmung „deutlich unter“ 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau vorsieht, zu bekennen. Das Pariser Abkommen stellt ohne jeden Zweifel die Konsensansichten innerhalb der Klimawissenschaft dar. Trotz bisher unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen könnte es in Reichweite bleiben, wenn große Veränderungen wie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien, konsequent umgesetzt würden.
Dringend notwendig wird sein, wissenschaftliche Fakten in den politischen Entscheidungen anzuerkennen. Jedes Land hat die Verantwortung darauf zu achten, dass die Informationstechnologie das Vertrauen der Öffentlichkeit in politische Institutionen, in die Medien und in die Existenz objektiver Realität nicht untergräbt. Cyberfähige Informationskriege sind eine Bedrohung für das Gemeinwohl. Täuschungskampagnen und Führungspersönlichkeiten, die die Grenze zwischen Fakten und politisch motivierter Fantasie verwischen wollen, stellen eine Bedrohung für die Demokratien dar. Sie verringern bewusst die Fähigkeit, mit Atomwaffen, dem Klimawandel und anderen existenziellen Gefahren umzugehen.
Der „Doomsday-Clock“-Bericht 2020 ist auch ein Aufruf für ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement.
Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg