Es gibt Alternativen!

Wohl jeder träumt den Traum vom Frieden und es kommt die Zeit dann wird wie jeder Menschheitstraum der Frieden Wirklichkeit“

Hannes Wader – Traum vom Frieden.

Am 4. April begeht die NATO in Washington DC ihren 70. Geburtstag. Die 29 Mitgliedsstaaten werden sich wohl als größtes und erfolgreichstes Militärbündnis der Weltgeschichte feiern. Eine Wertegemeinschaft basierend auf internationalem Völkerrecht ist die NATO keineswegs. Sie wurde als ein militärisches Verteidigungsbündnis gegründet, nicht mehr und nicht weniger.

Der Politikwissenschaftler August Pradetto empfiehlt, dass die heutigen 29 Mitgliedsstaaten sich bei allem Feiern, mal wieder an einige Grundsätze ihres Nordatlantikvertrages erinnern sollten. In seiner Präambel spricht der Vertrag von der Vorrangigkeit der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen. Artikel 1 sieht die Vorrangigkeit einer friedlichen Konfliktschlichtung und die Absage an Gewaltandrohung und Gewaltausübung vor. Artikel 5 spricht sich für kollektive militärische Maßnahmen im Verteidigungsfall, nur gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen aus. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan mahnte immer wieder, dass dieser Artikel 51 zwar das Recht auf Selbstverteidigung regele, aber keinen Präventivkrieg ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates erlaube. Schließlich ist in Artikel 7 des NATO-Vertrages, die vorrangige Zuständigkeit des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für die Erhaltung des Friedens festgeschrieben. Allein diese 4 wesentlichen Prinzipien des Nordatlantikvertrages zeigen, dass die NATO es mit seinen eigenen Regeln nicht so ernst nimmt.

Fakt ist, dass besonders seit dem Ende des kalten Krieges vor 30 Jahren, die NATO sich zu einem international agierenden Bündnis entwickelt hat. Die sogenannte NATO-Osterweiterung um 13 Mitgliedsstaaten des ehemaligen Warschauer Paktes oder die „globalen Partnerschaften“ mit Afghanistan, Australien, Irak, Japan, Südkorea, Neuseeland, Pakistan, der Mongolei sowie die Ausweitung auf den lateinamerikanischen Kontinent mit der „globalen Partnerschaft“ Kolumbiens und das ganz rezente heftige Werben um Brasilien müssten eigentlich Fragen nach der zukünftigen Strategie des Bündnisses aufwerfen. Die einzig sichtbare Strategie besteht derzeit in einer horrenden Aufrüstung, einer Modernisierung aller Waffensysteme und Planspielen führbarer Atomkriege.

Die europaweit stärker werdende Friedensbewegung muss dringend Alternativen zu bestehenden Militärbündnissen wie NATO und OVKS („Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ unter Leitung Russlands) vorlegen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist die Voraussetzung dafür, dass wir friedlich miteinander leben können. Soziale Ungleichheit spaltet unsere Gesellschaften. Soziale Spaltung führt zu Verunsicherung, dies führt zu Egoismen, Egoismen führen zu Krisen und im Extremfall zu Krieg. Auch deshalb ist die aktuelle Entwicklung in Europa, in der Welt so besorgniserregend. Es geht um den Schutz der Menschen vor den wirklichen Gefahren: Klimawandel, Armut, Trinkwassermangel, sozialer Ungerechtigkeit, ausbeuterischem Handel, Terrorismus oder dem Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen.

Es bleibt wichtig, an interessante Konzepte zu erinnern und diese in die aktuellen Diskussionen einzubringen. Eine internationale Kommission für Abrüstung und Sicherheit unter Leitung von Olof Palme, veröffentlichte 1982 den Bericht „Common Security“. In diesem Bericht wurde dargelegt, wie internationale Zusammenarbeit, Abrüstung und Entmilitarisierung vorangetrieben werden könnten. Fragen der Sicherheit wurden nicht auf militärische Mittel reduziert. Die Grundsätze dieses Berichtes waren: Alle Nationen haben ein legitimes Recht auf Sicherheit; Militärische Gewalt ist kein legitimes Mittel zur Lösung zwischenstaatlicher Kontroversen; Zurückhaltung ist notwendig als Ausdruck nationaler Politik; Sicherheit kann nicht durch militärische Überlegenheit erreicht werden; Reduzierungen und qualitative Beschränkungen von Waffensystemen sind für die gemeinsame Sicherheit notwendig; Verknüpfungen zwischen Abrüstungsverhandlungen und politischen Ereignissen sollten vermieden werden. Für die Palme-Kommission war klar: Es gibt keine Sicherheit vor- oder gegeneinander, sondern nur noch miteinander. „Commun Security“ bleibt ein wichtiger Beitrag zum Erreichen einer Überwindung der Militärbündnisse.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist wohl der Schlüssel zur Umsetzung einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur. Die OSZE versteht den Sicherheitsbegriff nicht auf einer reinen politisch-militärischen Ebene, sondern auch unter Einbindung einer Wirtschafts- und Umweltdimension, sowie einer menschlichen Dimension. Besonders in stürmischen Zeiten wie diesen, brauchen wir dieses gemeinsame Forum, das zwischen „Vancouver und Wladiwostok“ und gar darüber hinaus, verloren gegangenes Vertrauen wiederaufbauen kann. Die OSZE wird dringender denn ja gebraucht. Die Friedensbewegung muss sich ihrer Bedeutung bewusster werden, die Politik muss sie aus ihrem aktuellen Bedeutungsverlust befreien.

Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg.