Er galt als Meilenstein in der nuklearen Abrüstungspolitik. Knappe 32 Jahre ist der Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces – INF) alt. Der INF-Vertrag verpflichtete beide Seiten zur Abschaffung aller landgestützten ballistischer Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Zugleich untersagt er auch die Produktion und Tests solcher Systeme. Im Rahmen dieses Vertrages wurden 2.692 Raketen unter beidseitiger Kontrolle zerstört.
Der US-Präsident Trump hat Russland Anfang Dezember letzten Jahres, ein Ultimatum gesetzt. Er ist gewillt am 2. Februar, also in wenigen Stunden, das Abkommen zwischen den USA und der Russischen Föderation zu kündigen. Sechs Monate später wäre die für Europas Sicherheit wichtigste Rüstungskontrollvereinbarung dann Geschichte. Alles was in den 70ger und 80ger Jahren an Europäischer Sicherheitsarchitektur an Ergebnissen geschaffen wurde, zerbröselt. Mit einer Abrissbirne sind Zerstörer am Werk!
Die USA werfen Russland seit längerer Zeit Verstöße gegen dieses Abkommen vor. Russland wiederum bestreitet dies und weist auf seine Vorwürfe gegen die Verstöße der USA hin. Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, will sich nicht auf eine klare Schuldzuweisung einlassen. Für ihn haben beide Seiten Verantwortung falls es zur definitiven Aufkündigung dieses bilateralen Vertrages kommt.
Dies hätte für Europa schwerwiegende Folgen. Ein atomares Aufrüsten mit Mittelstreckenraketen wäre die Konsequenz. Dass der NATO-Generalsekretär munter den Einpeitscher mimt, müsste aus europäischer Sicht eigentlich unverständlich sein. Xanthe Hall ist Mitbegründerin der Friedensnobelpreisträger-Organisation ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) und Geschäftsführerin der Internationalen Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW). Sie bringt es genau auf den Punkt mit ihrer Feststellung: „Ein Dialog mit dem Ziel, eine Lösung des Konflikts über den INF-Vertrag zu finden, ist nicht in Sicht. Stattdessen redet Stoltenberg eine nukleare Nachrüstung in Europa herbei. Das erinnert an die damalige NATO-Doppellösung, die uns in den 1980er Jahren beinahe in den atomaren Abgrund getrieben hat. Der INF-Vertrag war damals die Rettung für Europa.“
Es gibt nicht wenige Experten, die glauben, dass weder den USA noch Russland irgendwas in dieser Sachfrage an Europa liegt. Ihr Blick ginge nach China und die ganzen gegenseitigen Schuldzuweisungen wären vorgeschoben. Seit Jahren jammert besonders die USA, dass der INF-Vertrag sie im ostasiatischen Raum ins Hintertreffen gegenüber China bringt. China, das seine militärischen Risiken eher regional definiert, ist dem Abkommen nicht verpflichtet und stationiert diese Waffensysteme, um auf die amerikanische Seepräsenz mit hunderten see- und luftgestützten Marschflugkörpern, mit eigenen landgestützten Raketen zu reagieren.
Nicht nur der am 2. Februar angekündigte Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag, auch die NATO-Jahrestagung Mitte Februar und die direkt darauffolgende Münchener Sicherheitskonferenz, bedürfen einer genauen Analyse. Es gilt diesen INF-Vertrag zu retten, auszubauen und zu stärken. Sicherheit kann es nur Miteinander, nie mehr Gegeneinander geben.
Weltweit erleben wir rasante Aufrüstungsspiralen, die Zeichen stehen auf Sturm. Die luxemburgische Regierung muss sich stärker in die friedenspolitischen Bemühungen einmischen. Die NATO verträgt schon Widerspruch, ansonsten wäre es mit der Partnerschaft nicht weit her. Unsere Regierung sollte mit dem konsequenten Eintreten für die Beibehaltung des INF-Vertrages, trotz und vor allem wegen des amerikanischem Kündigungsszenarios, beginnen.
Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg.