Kommunale Potentiale nutzen!

„Man muss an die Zukunft glauben, an eine bessere Zukunft. Die Welt will Frieden.“

Erich Maria Remarque

Einfluss nehmen! Eine wichtige Maxime der 1982 gegründeten „Mayors for Peace“. Die Überlegungen, die zur Gründung der Vereinigung führten, waren prägnant. Da die Bürgermeister verantwortlich für die Sicherheit und das Leben ihrer Bürger sind, gilt es für sie auch in der Friedensthematik klare Positionen zu beziehen. Mit ihrer aktuellen Kampagne „Vision campaign 2020“ treten die Bürgermeister für die Abschaffung aller Atomwaffen ein. Im Leitbild der internationalen Vereinigung wird auf die Vernetzung zwischen atomarer Rüstung, Hunger, Armut, Flüchtlingsproblematik, Menschenrechten und Umweltzerstörung hingewiesen. Die 3.147 Bürgermeister aus 134 Ländern (Stand 1. Oktober 2009) sehen also ebenfalls den Zusammenhang der Friedensbemühungen mit den schon in dieser Serie beschriebenen Millenniumszielen.

Es ist absolut begrüßenswert, dass es in Luxemburg zur Zeit 56 Bürgermeister gibt, die Mitglieder der „Mayors for Peace“ (www.mayorsforpeace.org) sind. In einer strukturierten Koordination der einheimischen Mitgliedskommunen liegt ein ungeahntes Potential. Man stelle sich beispielweise vor, alle 56 Gemeinden würden jährlich anlässlich des Weltfriedenstages am 21. September gemeinsam ein Zeichen setzen und sich öffentlich als Städte und Kommunen des Friedens darstellen.

Von Kid’s Guernica und einem Peace-Trail.

Peter van den Dungen, Begründer und Koordinator des „International Network of Museums for Peace“ plädiert für innovative Ideen in „Friedensstädten“. Hierzu gibt es vereinzelt Beispiele, die mit etwas Phantasie so oder ähnlich umgesetzt werden könnten.

Die deutsche Stadt Osnabrück fühlt sich als Ort des Westfälischen Friedensabschlusses von 1648 dem Friedensgedanken und der Friedenssicherung verpflichtet. Besonders interessant ist, dass Osnabrück die Gegenwart und die Zukunft mit der Vergangenheit verbindet. Die Geschichte wird als Auftrag gesehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs in der Kommune sehr schnell die Erkenntnis, dass nur ein Geist der Toleranz und Humanität Rassismus und Rassenwahn in Zukunft verhindern kann. An dieser Überzeugung orientiert sich bis heute die Friedensarbeit. Osnabrück zeigt ganz konkret, wie die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte in Form der Erstellung eines „kollektiven Gedächtnisses“ einen wesentlichen Teil zur Friedenserziehung beitragen kann. Schüler des Gymnasiums in Lohbrügge beurteilten ihre Erfahrung mit einem „kollektiven Gedächtnis“ folgendermaßen: „Das Projekt ist ein Zeichen für den Generationendialog. Jung und Alt gemeinsam gegen das Vergessen und für das Leben – das Vergangene wird archiviert, weil es unsere Gegenwart und unsere Zukunft mit bestimmt. Und weil wir daraus lernen können. Nicht nur für unser Leben, sondern auch über das Leben Anderer.“

Die französische Kommune Aubagne in der Provence, legt in ihrer Friedensarbeit besonderen Wert auf die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen. Mit einer Ausstellung der internationalen Vereinigung „Kid’s Guernica“ gelang es der Stadt Aubagne ihre Bürger für Frieden und Abrüstung zu mobilisieren. Kinder und Jugendliche der französischen Kommune haben hierfür Bilder zum Thema Frieden gemalt und ausgestellt. Die Bilder haben jeweils die Größe von Pablo Picasso’s Meisterwerk „Guernica“, das die Schrecken des 1937 erfolgten Bombenangriffs auf das baskische Städtchen während des spanischen Bürgerkrieges darstellt.

Im nordenglischen Bradford hat sich das Departement für Friedensstudien an der dortigen Universität zu einer der bekanntesten Institutionen dieser Art entwickelt. Die Hochschule gab den eigentlichen Anstoß, dass sich Bradford zur Stadt des Friedens erklärte und 1997 beschloss, diese Entscheidung in einem Buch „City of Peace: Bradford’s Story“ zu dokumentieren. Die mannigfaltigen Dimensionen des Themas Frieden, historische und aktuelle, lokale, nationale und internationale Zusammenhänge wurden exemplarisch dokumentiert. Neun Jahre später stellten Kommune und Bürger in einem handlichen Büchlein den „Bradford Peace Trail: A walk around Bradford, City of Peace“ vor. In diesem Touristenführer werden Orte und Plätze der Stadt beschrieben und dargestellt, die speziell mit Frieden und Sozialreformen zu verbinden sind. Die Verantwortlichen wollten nicht nur den Besuchern die Friedensthematik näherbringen, sie wollten auch den Bürgern Bradfords ihre Heimatstadt einmal anders vorstellen.

Vom „Anderssein“, tausend Tönen und einem Friedensetat.

Das österreichische Linz ist nicht nur Kulturhauptstadt 2009, die Stadt definiert sich mit Engagement seit 1986 als „Friedensstadt“. Solidarität mit Menschen in Konfliktregionen, Gerechtigkeit und Menschenrechte sowie ökologische Nachhaltigkeit sind Werte, welche die „Friedensstadt“ Linz konsequent fördert. Dialogbereitschaft und Toleranz untereinander sollen dabei als selbstverständliche Umgangsformen gelten. Ein wertschätzender Umgang mit Fremden und eine konstruktive Konfliktkultur sind für die Linzer Verantwortlichen prioritär.

Alle Fraktionen im Gemeinderat befürworten die Friedensinitiativen ihrer Stadt, der Bürgermeister selbst übernimmt Verantwortung; die Verwaltung wurde strukturell in die Friedensarbeit eingebunden; Kulturinitiativen und –einrichtungen werden konsequent unterstützt, Vereine und Einrichtungen wie Kirche, Schule oder sozialer Dienste werden sensibilisiert. Es entsteht eine Offenheit und Dynamik, die dem Ganzen zu Gute kommt.

Die Stadt Augsburg ist historisch geprägt durch den „Augsburger Religionsfrieden“. Im Bewusstsein dieser Tatsache versteht sich Augsburg als Friedensstadt. Ein Friedenspreis, die aktive Beteiligung der lokalen Universität an Projekten wie „Das tägliche Leben in unserer Friedensstadt“, gehören zu festen Bestandteilen der Aktivitäten. Das besondere an Augsburg ist das „Festival der 1000 Töne“. Hier gibt es jährlich anlässlich eines Musikfestivals einen Überblick über die große Vielfalt der Kulturen in Augsburg. Die Friedensstadt dokumentiert damit, dass das Miteinander der Kulturen für Alle bereichernd ist.

Das flämische Ypern in Belgien wurde in brutalen Schlachten während des ersten Weltkrieges völlig zerstört. Mit der Eröffnung des „In Flanders Fields-Museum“ hat sich Ypern und die ganze Region 1998 dazu bekannt, Friedensstadt und Friedensregion zu sein. Eine Reihe von Initiativen war die Folge, wie z.B. die Einrichtung eines kommunalen Friedensamtes oder die Stiftung eines Friedenspreises durch die Stadt. Im jährlichen kommunalen Budget erscheint ein Friedensetat. Dieser Budgetposten dient zur Finanzierung des gestifteten Preises sowie zur materiellen und finanziellen Unterstützung lokaler Initiativen. Weiter sind Projekte wie Kriegserinnerung, internationale Begegnungen mit aus Konfliktgebieten kommenden Jugendlichen oder die kommunale Verwaltungshilfe im Kosovo Schwerpunkte dieses Etats. Dass Ypern schon eine engagierte Friedensstadt ist, zeigt die Tatsache, dass das internationale Sekretariat der „Mayors for Peace 2020“-Kampagne dort seinen Sitz hat.

Mit etwas politischem Willen kann demnach vieles für eine Kultur der Gewaltfreiheit geleistet werden.

In einem letzten Beitrag werden einige konkrete Beispiele in Sachen Gewalt- und Aggressionsprävention vorgestellt. Hier spielen Schule und Jugendarbeit eine besonders wichtige Rolle.